365 Tage sind in einem Atemzug vergangen. Heute beginnt Jahr Zwei. War alles nicht so leicht. Aber es geht voran…
Wir haben Berge versetzt (Schuttberge), haben die Dächer der Welt getragen (unseren Dachstuhl), waren und sind der Mörtel, der unser Heim und die Grundfesten unserer Welt in sich zusammenhält, sind der Tapetenkleister, der uns versucht hat aufzugeben, und der uns triumphieren ließ. Dazwischen der Sonnenuntergang über der freien Mark, frei von Plattenbauten und Stahlgeflechten, frei von Asphaltliebe – rauem Stahlbeton und Graureif – wir haben Raureif auf der Wiese, sattes Grün und Vögelgedöns im Wald, Einöde und Nichts, Prärie und Steppe – und doch so viel Stress und Chaos um uns! Wir bandeln mit den Jahreszeiten und wandeln mit den Bausorgen. Unser Steinobst ist frei von Würmern und Maden, doch in so Einigem bleibt der Wurm drin! Es ist und bleibt doch alles ambivalent. Aber bereuen tun wir nichts… Es war ein stürmisches Jahr – aber es wird besser!
Jahreszeiten
Gerade noch haben wir ein Haus gekauft, den Umzug gewuppt, sind auf Unzulänglichkeiten und spezielle Herausforderungen gestoßen, haben den ersten düsteren Brandenburger Winter erlebt, bis uns die ersten Schneeglöckchen in die Realität zurückholen durften und wir unsere Tomaten in Hochbeete pflanzten. Dabei schwankten die Abundanzen um einen festen Mittelwert, während vieles hier etwas intensiver und eindringlicher zu sein scheint – vielleicht auch, weil das grundsätzliche Erregungsniveau kurz vor der Kulmination steht!
Wir leben intensiver mit den Jahreszeiten. Sie sind hier mehr zu spüren. Und sie haben Auswirkungen auf unsere Planung und den Bau.
Durch unseren Garten bestimmen sie auch unseren Alltag: Aussaat und Ernte sind nach den Jahreszeiten zu richten. Im Frühjahr müssen Beete angelegt werden. Im Sommer dürfen keine Hecken geschnitten und Bäume gefällt werden. Im Herbst muss geerntet sein, bevor sich die Vögel alles holen – und bei Frost lässt sich eben kein Zaun streichen oder Beton gießen. Dafür muss im Winter das Nest witterungsfest sein und der Heizkreislauf funktional. Eigentlich alles selbstverständlich, doch in der Mietwohnung in Berlin, hat man solche Vorgaben weniger gespürt. Jahreszeiten verpflichten – aber sich nach ihnen zu richten – kann auch sehr schön sein! Alles hat wie immer zwei Seiten (Oder Petra!?).
Die schönen Dinge und kleinen Erfolge
Zu den schönen Dingen gehören das Land und das Neue und die Neugierde und die Sehnsucht und die Luft und das Nest. Zu den schönen Dingen gehören das Möbelbauen, das Experimentelle, das Versuchen und Ausprobieren, das Schaffen mit Werkstoffen, die schon da waren und kein Geld kosten – wo ein Scheitern keine Konsequenzen hat. Zu den schönen Dingen gehören, dass Anpflanzen, dass Ausbrüten, die Dinge wachsen zu sehen und Zeit zum Verweilen zu finden. Zu den schönen Dingen gehören die Dinge, die abgeschlossen werden und man einen Haken hinter machen kann!
Und natürlich zählen zu den schönen Dingen der Besuch von Freunden, Familie und Familie – die Gewissheit – dass es helfende Hände da draußen gibt – die trotz ihres Alltags die Zeit finden, uns zur Hilfe zu eilen! Und die gemeinsamen Spaziergänge und Abende am Lagerfeuer mit eben solchen. Begegnungen zählen viel! So auch die Begegnungen mit neuen Nachbarn und Freunden – die Rückmeldungen auf dem Blog und auf Instagram – das alles bekräftigt uns sehr und tut uns sehr gut! Vielen, vielen Dank dafür! Ihr gebt uns Kraft!
Umstellungen
Wir erwähnten es bereits: Zeit; Jahreszeit; Wandel; und die witterungsbedingten / jahreszeitlichen Veränderungseinbußen auf dem Lande (wieder-) zu erleben und genießen zu lernen! So wie hier der Flieder im Mai durchschlägt und mit Blüte und Duft verzaubert und seine Zeit benennt, macht die Tanke um 18:00 zu und es gibt kein Bier mehr! Um zum nächsten Supermarkt oder Bahnhof zu gelangen, braucht es ein KFZ, während sich besondere Besorgungen nur noch übers Internet realisieren lassen! Genau so verhält es sich mit Kultur und geselligem Zusammensein: Hier gibt es weder dutzende Kiezkneipen noch jeden Abend eine Lesung / ein Konzert / eine Vernissage! Wo vorher eine Übersättigung war, tritt jetzt ein Durstgefühl an dessen Stelle! Sich auf den Weg zu machen und spannende Dinge für sich zu entdecken – aktiv zu werden – ist aber allemal schnieker, als stetig alles vorgesetzt und vorgekaut zu bekommen! Das ist ein alter Zeitgeist – sich über Musik und Kunst austauschen zu müssen – anstatt alles automatisiert durch Algorithmen vorgesetzt zu bekommen! Willkommen in den 90ern :-).
Dinge mit Verbesserungspotential
Geld – Mobilität – Zeit – Interaktion – Gesellschaft – Weltfrieden.
Bei diesen Punkten ist natürlich immer Luft nach oben!
Zu den unschönen Dingen in unserem ersten Jahr zählen in erster Linie, dass in diesem Jahr kaum Zeit und Raum für die schönen Dinge blieb!
Wir haben wirklich jede freie Sekunde genutzt, um mit unserem Projekt weiterzukommen! Wir haben unsere Urlaube und Wochenenden verheizt, jeden Brücken- und Feiertag verplant, um bloß keine Zeit zu verlieren und voran zu kommen! Wir haben uns unter unfassbaren Druck gesetzt – obwohl das Kernziel die Stadt zu verlassen, die Entschleunigung war! Woher rührt also dieser selbst auferlegte Druck!?
Nunja, dafür gab und gibt es wohl mehrere Gründe!
Der vermutlich Wichtigste: nicht noch einen weiteren Winter in einem dreckigen, verstellten und beengendem Provisorium verbringen zu müssen! Stattdessen tiefenentspannt vor dem Kamin auf dem Sessel flätzen oder auf dem Sofa vor der der Glotze die letzte Staffel Game of Thrones in aller Entspanntheit genießen zu können! Und die Kapazität zu besitzen, Freunde oder Familie einladen und empfangen und ihnen einen Esstisch und ein Bett anbieten zu können! Denn glaubt uns, der erste Winter war sehr, sehr einsam zwischen unseren Kartons – und das trotz der vielen Haustiere!
Nachdem im Frühjahr dann die Grundvorraussetzungen für Besuch geschaffen waren, sollte nämlich der gute Rainald Grebe rechtbehalten: Dieser sang in seinem Lied Aufs Land „Doch meine Freunde aus der Stadt, die kommen nicht“. Ja warum muss er denn Recht behalten, der weise alte Sack!? Also darum ging es primär: Raum für Gäste zu schaffen und unseren Hof für diese attraktiv zu machen…
Der zweite Druckfaktor entsprang der Arbeitssituation: Während Susan weiter nach Berlin pendelte – von Ersatzverkehr und Zugausfällen gänzlich der Vorstellung eines Berliner S-Bahn-Nutzenden gepeinigt – habe ich mit nur 3 Werktagen und einem 24 Stunden-Vertrag mehr Zeit für die Ausübung meiner Tätigkeit als Bauherr aufbringen können. Das erzeugte natürlich finanziellen Druck, ersparte uns durch die Möglichkeit der Eigenleistung aber auch den ein oder anderen Taler. Doch so sehr mir die Rolle als Bauherr auch Spaß bereitete, hat mich die damit einhergehende Verantwortung auch ganz schön mitgenommen. Auch das Gefühl über fremde Gelder zu verfügen, war für mich sehr befremdlich. Im Endeffekt lief es nämlich so, dass ich mit Handwerkern verhandelte, Alternativen aus dem Internet rechererchierte, meine Erkenntnisse dann mit Susan teilte und sie Zahlung leistete. Als Geldgebende möchte man natürlich Kontrolle und Sicherheit, und als Empfänger und Bauverantwortlicher, möchte man nicht sich nicht verkalkulieren oder enttäuschen. Diese Vermischung verschiedener Rollen, war für uns beide nicht einfach und stoß auch manches mal in der Diskussion mit anderen auf Unverständnis („Was der Bauer nicht kennt…“), weil es gesellschaftlich dann doch nicht so akzeptabel ist, dass die Frau die Kröten nach Hause bringt und der Mann sich ums Nest kümmert. Uns war also klar, das auch dieser Zustand nur ein Provisorium darstellen könnte und so hab ich mich ab September für eine Vollzeitstelle verpflichtet. Davor ging es natürlich ebenfalls darum, möglichst viel wegzuarbeiten, so lange noch mehr Zeit zur Verfügung stand!
Beim dritten Faktor wären wir bei einer Vermischung der ersten beiden Aspekte: Es ist der Druck, den man von Dritten adaptiert!
Da geht es darum, es anderen Recht machen zu wollen und diese zu comforten (es gibt irgendwie kein besseres deutsches Wort dafür). Wie man als 10-Jähriger auf Klassenfahrt im Bus mit einer Tüte Chips versucht die Meute um den Finger zu wickeln, oder mit 12 als Nichtraucher auf dem Schulhof mit einer Packung Kippen in der Jacke um den Raucherfreunden stets eine anbieten zu können um diese wirbt, so ging es bei uns vielleicht auch schlichtweg darum, sich Anerkennung zu erkaufen und die Leute anzulocken! Deshalb wollten wir schnell klar-Schiff-machen und der Unterkunft ein paar Sterne schaffen. Vielleicht auch, weil manche meinten, sie kämen gerne zu uns aufs Land, sobald denn alles fertig sei und man komfortabel und vernünftig hier hausen könnte. Diese Betretenheit und Betroffenheit nach einem solchen Dialog, hat sich nun nach totaler Verausgabung auch endlich in ein wohlgefallenes Fuck You entladen! Da ist die nötige Befreiung – den Hammer an den Nagel zu hängen – fünf gerade sein und die Seele baumeln zu lassen! Und dabei kann man es belassen!
Zukunft
Altes stirbt und Neues entsteht! Und dabei lernen wir gerade wunderbare und wertvolle Menschen kennen und schätzen, die unserer Reise folgen, sich inspiriert fühlen, denen wir etwas geben können, und die uns etwas (mit-)geben und wir symbiotisch etwas zurückgeben! Interesse, Austausch, Dialog und Begeisterung – darum geht es doch schlussendlich! Und wenn die Zeit kommt, wird das gebührend gefeiert! Bis dahin legen wir Hand an…
1 Comments
Gratulation und Stolz, was ihr bis jetzt geschafft habt. Der zweite Winter kann kommen. Bis dahin Freude auf unseren nächsten Besuch bei euch ????????