Hurra! Wir sind Eltern im Kleinen – haben ein paar mauschelige Zwergwesen mit Gefieder unter’m Flieder!
Schon bevor wir uns den Hof kauften war uns klar, dass wir angesichts der vielen negativen Berichte in Sachen Hühnerhaltung unsere eigenen asiatischen Federtiere halten würden (Achtung: Link ist nichts für schwache Nerven!)! Und dann googelt man über geeignete Einstiegs-Rassen, friedvolle Klassen mit gutem Ei und Fleischertrag – die perfekten Selbstversorgerhühner sozusagen – und stößt dabei auf die bedrohte Art der „Mechelner“: Eine alte Zwienutzungsrasse, die erstmals im belgischen Mecheln gezüchtet und mittlerweile durch leistungsfähigere Mast-Rassen verdrängt wurde. Da die gesperberten Zweibeiner außerdem sehr liebenswürdig dreinschauen, haben wir uns kurzerhand für die Zucht dieser Hühner entschieden und uns einen Inkubator gekauft, um fortan Bruteier selbst ausbrüten und auch abgeben zu können!
Inkubation
Fast alle Hühnerrassen brauchen die gleichen Parameter für den Brutapparat: Die Vorbrut vom ersten bis zum 18. Tag erfolgt mit 37,6° und einer Luftfeuchtigkeit von 52%. Danach erfolgt die Schlupfbrut, bei der die Feuchtigkeit auf 70-80% angehoben und die Temperatur auf 37,4° gesenkt wird. In der Vorbrut müssen die Eier außerdem zweimal am Tage gewendet werden. So wird verhindert, dass die Embryonen an der Schalenmembran haften bleiben. In der Schlupfbrut stimmen die Küken ihren Schlupf mit Lauten aufeinander ab! Dennoch kommt es vor, dass die Küken unterschiedlich schnell schlüpfen! Bei uns hatten wir einen Pionier, der ganze 12 Stunden auf den Nachschlupf der zwei Hennen warten musste. So war dieser einige Zeit alleine im Inkubator gefangen.
Von 10 Eiern sind 3 geschlüpft. Eine relativ schlechte Quote für einen professionellen Inkubator! Um herauszufinden was schief gelaufen ist, müssen die ungeschlüpften Eier zwei Tage nach Geburtstermin geöffnet werden: Ein Ei war unbefruchtet ohne tierisches Gewebe. Ei zwei und drei sind nach vier Tagen als Nervengeflecht eingedorrt. Vier Embryonen starben am 19. Tag beim Übergang zur Lungenatmung.
Grund dafür ist oft eine Mangelernährung der Elterntiere oder deren begrenztes Erbgut (Inzucht). Gewissheit bekommt man nicht. Ein sehr sehr trauriges ErEignis! Die Embryonen sind voll entwickelt und man muss den toten Tieren zwangsläufig in die Augen schauen, bevor sie in der Mülltonne verschwinden…
Schlupf und Küken Sein
Die ersten zwei Tage ernähren sich die flauschigen Kneuel vom Rest ihres Universums, dem Eidotter, und brauchen nur etwas Wasser oder Kamillentee. Danach gibt es das erste Futter (Kükenstarter), das in der Regel aus fein zermahlenem Mais und anderen Getreidesorten besteht. Oft werden hier auch gekochtes Ei mit Brennesselschnitt empfohlen, aber unsere „Babys“ nahmen keine Notiz davon! Die kleinen Racker sind am Anfang sehr tollpatschig und suchen unmittelbar die Nähe zueinander! Sie verbringen die meiste Zeit unter der Wärmeplatte und kuscheln sich eng zusammen. Da sie ohne Glucke aufwachsen, gibt es doch immer wieder Momente, wo sie die körperliche Nähe zum Menschen suchen! Dann springen sie ganz bewusst auf die flache Hand und schlafen erst in der zarten Faust ein!
Faszinierend ist auch, dass diese kleinen Erdneulinge auf die weisenden Gesten ihrer Gastgeber angewiesen sind! So muss man schon mal ab und an mit dem Zeigefinder auf die Tränke oder ein Futterstück hinweisen und die kleinen Rabauken ahmen nach! Mega-Putziges-Elterngefühle-Erzeugendes-Mega-Event – und plötzlich hat man eine ganz vor Stolz angeschwollene Hühnerbrust :-)!
Adoleszenz
Nach drei Wochen werden die kleinen Weltenstürmer plötzlich flügge: Sie wollen nicht mehr auf die Hand, scheuen den Kontakt und zeigen ihre „Unabhängigkeit“. So wird sich vermutlich die Pupertät der eigenen Menschenkinder äußern. Das tut schon etwas weh und hinterlässt einen kleinen Stich im Herzen. Doch spätestens sobald der Hunger und die Suche nach warmen Obdach einkehren, finden die verlorenen Kinder ihren Weg zurück und scharren flehend vor der Tür zum selbstgebauten Hühnerpalast! Als Versöhnung für die wütenden Gefühle, die man als verlassenes Elternpaar erleben musste und als Versöhnung und Zeichen tief-elterlicher Liebe, gibt es zur Feier des Abends ein paar zerkleinerte Kohlrabi! Denn das ist das Lieblingsessen der Brut! Und plötzlich fühlt man sich in den Roman Wo die wilden Kerle wohnen zurückversetzt :-).
1 Comments
Wirklich schön geschrieben. Danke an die stolzen Hühnereltern für das Teilen eurer Erfahrungen. Starte am Montag meine erste eigene Brut und bin schon super gespannt!